Hannover braucht einen starken gemeinwohlorientierten Wohnungssektor
18. Mai 2021 um 17 Uhr
in der Zukunftswerkstatt Ihmezentrum
Die Zahl der Belegrechtswohnungen in Hannover sinkt ständig. Mehr als 1200 Haushalte stehen derzeit auf der Liste des Wohnungsamtes, auf der diejenigen notiert sind, die in akuter Wohnungsnot leben oder davon bedroht sind. Die Dunkelziffer ist um einiges höher. Dennoch fallen trotz des erheblichen Wohnungsneubaus immer noch mehr Wohnungen aus der Belegbindung als neue hinzukommen.
Die Folge: Dort, wo es noch Belegrechtswohnungen gibt, wird der Druck immer größer. Deshalb versuchen immer mehr Wohnungsunternehmen Belegrechte so schnell wie möglich abzubauen. „Damit sich der jetzige Trend umkehrt, brauchen wir schnell mehr Belegrechte und differenziertere Instrumentarien. Der Wohnungsneubau allein reicht nicht aus. Er ist kostenintensiv und durch die langen Vorlaufzeiten zu träge, um auf die Bedarfslagen am Wohnungsmarkt schnell genug zu reagieren “ sagt Gerd Runge, der Aufsichtsratvorsitzende der Wohnungsgenossenschaft Selbsthilfe Linden.
„Wir haben sehr gute Nachbarschaften in Häusern mit einem hohen Anteil von Belegrechtswohnungen“ sagt Kirsten Klehn aus dem Vorstand der Wohnungsgenossenschaft Nordstadt und Mitbegründerin von Immovielien Hannover. „Unsere Erfahrungen wollen wir einbringen, um angesichts stark steigender Mieten und dem Verlust von preiswerten Mietwohnungen durch Umwandlung den gemeinwohlorientierten, nachhaltigen Wohnungssektor weiter auszubauen.“
Als Immovielien Hannover haben sich gemeinwohlorientierte Genossenschaften, Stiftungen und Fachleute aus dem Wohnungswesen als Interessengemeinschaft zusammengeschlossen.
Die Mitglieder haben Bausteine für eine gemeinwohlorientierte, nachhaltige Wohnbaupolitik in Hannover erarbeitet.
- Neben dem Neubau von Sozialwohnungen muss der Ankauf von Belegrechten im Bestand kurzfristig erheblich ausgebaut werden. Dafür sollte diese Förderung finanziell besser ausgestattet und die Belegrechtsverfahren flexibilisiert werden. Zusätzlich sollten Wohnungsunternehmen und nachbarschaftliche Initiativen bei ihren Integrationsleistungen verstärkt unterstützt werden.
- Durch das gerade beschlossene Baulandmobilisierungsgesetz werden die Vorkaufsrechte der Kommunen erheblich erweitert. Die Stadt Hannover ist aufgerufen, diese Möglichkeiten schnell auszuschöpfen.
- Ebenso sollte die Umwandlung von preiswerten Mietwohnungen in Eigentumswohnungen gebremst werden. Das ermöglicht der neu in das Baugesetzbuch aufgenommene Paragraph 250.
- Die Grundlage für einen starken gemeinwohlorientierten Wohnungssektor sollte ein Grundstücksfonds bilden, in den stadteigene Immobilien und Baugrundstücke sowie erworbene Baugrundstücke eingebracht werden. Trägerin dieses Fonds‘ ist eine eigenständige Gesellschaft „Gemeinwohlorientierter Baugrundstücksfonds“. Die Grundstücke werden zum Bodenrichtwert in Erbpacht an die Unternehmen oder Initiativen weitergegeben, die die besten Konzepte hinsichtlich dauerhafter, gemeinwohlorientierter Bindungen und nachhaltigem ökologischem Wohnungsbau anbieten. Die Bindungen sind dauerhaft und enden nicht mehr nach 20-30 Jahren wie bei den Sozialwohnungen bisher.
- Durch die Erbpachtzahlungen entsteht ein revolvierender Fonds für den Ankauf weiterer Baugrundstücke durch die Ausübung des Vorkaufsrechtes, der zudem unabhängig vom städtischen Haushalt ist. Zusätzlich entsteht eine attraktive Geldanlage für die zukünftigen Mieter*innen: Sie können Eigenkapitalanteile in die Gesellschaft einlegen. Innerstädtischer Boden ist eine sehr sichere und rentable Kapitalanlage. Diese Anlage ist zum einen ethisch-nachhaltig, zum anderen wird so Immobilienwertentwicklung auch ohne Einzeleigentum zur zusätzlichen Altersabsicherung.
„Viele private Immobilienfirmen nutzen Baugrund als Spekulationsobjekt und machen die Mieten unverschämt teuer. Das verschärft die soziale Spaltung in unserer Stadt. Ein starker gemeinwohlorientierter Wohnungssektor bildet dazu ein Gegengewicht. So kann eine gerechte und ökologische Wohnungspolitik in Hannover vorangetrieben werden“, sagt Ann-Kathrin Seidel von der Genossenschaft Alle unter einem Dach, die derzeit ein Haus mit einem Drittel Belegrechtswohnungen baut.
Downloads:
- Vortrag – Gemeinwohlorientierter Wohnungsbau
- Bausteine für eine gemeinwohlorientierte, nachhaltige Wohnbaupolitik in Hannover
- Zu diesem Thema wurde auf „0511“ h1 im täglichen Magazin ein Bericht gesendet.
Pressekontakt:
Wohnungsgenossenschaft Selbsthilfe Linden
Tel. 0171 100 88 18
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